Die Rolle von Künstlicher Intelligenz zur Unterstützung sehbehinderter Menschen
- nicolebruehl
- 27. Mai
- 5 Min. Lesezeit

Geschrieben von Aminu Mohammed
Menschen, die blind oder sehbehindert sind, stehen im Alltag vor zahlreichen Herausforderungen, wenn sie versuchen, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden. Besonders belastend ist es für sie, ihre Umgebung zu verstehen – vor allem, wenn es darum geht, Informationen aus gedruckten oder visuellen Medien wie Zeitungen und Fernsehen zu erhalten oder an sozialen Aktivitäten mit anderen teilzunehmen.
Aufgrund ihrer Einschränkung fällt es sehbehinderten Menschen besonders schwer, sich sicher zu bewegen – insbesondere in belebten öffentlichen Bereichen. Hinzu kommen Hürden beim Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln, die eigentlich Mobilität erleichtern sollen. Häufig haben sie Schwierigkeiten, Tickets zu kaufen oder Informationen zu lesen – etwa Fahrpläne, Liniennummern oder die richtige Haltestelle für Bus oder Bahn.
Eine Person mit Sehbehinderung kann entweder gar nichts sehen, nur teilweise sehen oder mit der Zeit ihr Sehvermögen vollständig verlieren. Das Spektrum der Sehbehinderung umfasst sowohl Blindheit als auch starken Sehverlust. Als sehbehindert gelten Menschen, deren Einschränkungen nicht durch Medikamente, Brillen, Kontaktlinsen oder chirurgische Eingriffe behoben werden können.
Manche Menschen werden mit einer Sehbehinderung geboren und sind vollständig blind, andere verlieren ihr Sehvermögen zum Beispiel durch Sportarten wie Baseball oder durch Autounfälle. Es gibt viele verschiedene Erkrankungen, die das Sehvermögen beeinträchtigen können – darunter diabetische Retinopathie, Makuladegeneration, Katarakte und Glaukom.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass weltweit 2,2 Milliarden Menschen an Kurz- oder Weitsichtigkeit leiden – wobei Katarakte und Brechungsfehler im Auge die beiden Hauptursachen für Sehverlust darstellen. Erschütternde 411 Milliarden US-Dollar gehen jährlich durch Sehbehinderungen an Produktivität verloren.
Das Potenzial Künstlicher Intelligenz zur Verbesserung von Sehverlust
Es steht außer Frage, dass es bedeutende Fortschritte beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Unterstützung blinder Menschen im Alltag gegeben hat. KI-Systeme, die in Smartphones integriert sind, wurden entwickelt, um sehbehinderten Menschen dabei zu helfen, sich ohne die bisherigen Hindernisse sicher in ihrer Umgebung zu bewegen.
Diese neuen Technologien ermöglichen es blinden oder sehbehinderten Menschen, Gegenstände auf der Straße zu erkennen und gezielt auf bestimmte Orte zu einem bestimmten Zeitpunkt hingewiesen zu werden – so können sie sich eigenständig und ohne Hilfe anderer Personen zu Fuß orientieren.
In ähnlicher Weise verbessert Künstliche Intelligenz das Leben blinder und sehbehinderter Menschen, indem sie ihnen Zugang zu Apps und Geräten verschafft, die es ermöglichen, mit ihrer Umwelt zu interagieren. Für Menschen mit Behinderungen ist KI ein echter Gewinn. KI-gestützte Anwendungen ermöglichen es sehbehinderten Personen zum Beispiel, sich Fotos anzusehen, die ihnen über WhatsApp geschickt wurden. Diese Tools aus dem Bereich des maschinellen Lernens erleichtern blinden Menschen den Alltag und tragen dazu bei, ihre Lebensqualität deutlich zu verbessern.
Die Wirkung Künstlicher Intelligenz bei der Unterstützung blinder Menschen
Es lässt sich kaum überschätzen, wie sehr KI-basierte Geräte das Leben von blinden und sehbehinderten Menschen verbessert haben. Viele Menschen mit Sehverlust oder vollständiger Blindheit erleben durch KI-gestützte Geräte und Anwendungen spürbare Erleichterung im Alltag – insbesondere beim eigenständigen Navigieren in ihrer Umgebung und ihrem sozialen Umfeld.
Dr. Chieko Asakawa, eine japanische Forscherin, entwickelte den AI Suitcase – ein KI-gestütztes Gerät, das blinden Menschen das Reisen und sichere Fortbewegen erleichtert. Mit dem AI Suitcase können blinde und sehbehinderte Menschen sich frei bewegen, ohne gegen Hindernisse zu stoßen. Der kofferähnliche Roboter dient somit als hilfreiches Mobilitätshilfsmittel, das Personen mit Sehbeeinträchtigung dabei unterstützt, ihre Umgebung sicher zu erkunden.
Der „Koffer“ ist mit Sensoren und Kameras ausgestattet, die es den Nutzer*innen ermöglichen, über ein Smartphone oder Kopfhörer Gegenstände, Personen und bestimmte Orte zu erkennen. Zudem zeigt der Roboter Wege und Ziele an – etwa Geschäfte oder nahegelegene Märkte. Die KI führt blinde Menschen so sicher zu ihrem Ziel.
Das Leben von blinden und sehbehinderten Menschen wurde auch durch die KI-gestützte App Be My Eyes verbessert. Dieses Tool ermöglicht es Betroffenen, ein selbstbestimmteres und komfortableres Leben zu führen – unter anderem durch die Möglichkeit, leichter mit Freund*innen und Familie in Kontakt zu bleiben. Die App ist weltweit über das Smartphone zugänglich, in mehr als 180 Sprachen verfügbar und kann überall genutzt werden.
Über Be My Eyes können blinde oder sehbehinderte Menschen per Videoanruf Freiwillige um Unterstützung bei bestimmten Aufgaben bitten. Die Helfer*innen sehen über die Smartphone-Kamera, was die betroffene Person sieht, und können so gezielt bei alltäglichen Tätigkeiten helfen – etwa beim Ein- und Ausschalten von Haushaltsgeräten oder beim Zurechtfinden in der Wohnung.
Darüber hinaus hilft die Be My Eyes-App blinden Menschen dabei, bestimmte Gegenstände zu erkennen, indem sie ihnen eine detaillierte Beschreibung eines zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgenommenen Fotos liefert.
Die App ermöglicht es sehbehinderten Personen außerdem, Briefe zu lesen und Kontakt zu Kundenservicestellen von Unternehmen aufzunehmen, um eigene Anliegen zu klären. Menschen mit Blindheit oder Sehverlust können die App kostenlos im Play Store und im Apple Store herunterladen.
Eine weitere kostenlose App ist Sight AI, ein KI-gestütztes Tool von Microsoft, das blinden und sehbehinderten Menschen ebenfalls den Alltag erleichtert. Die App nutzt Künstliche Intelligenz, um Personen mit eingeschränktem Sehvermögen schnell und präzise Informationen über ihre Umgebung zu liefern. Sie verfügt über eine integrierte Kamera und eine Sprach-zu-Text-Funktion, die die Bedienung besonders einfach macht.
Die App kann Texte erkennen und laut vorlesen. Das KI-gestützte Tool verfügt über einen Scanner, mit dem Menschen mit Sehbehinderung Produkte wie Lebensmittel oder Haushaltsartikel durch das Scannen eines QR-Codes identifizieren können. Darüber hinaus kann es bestimmte Währungen erkennen und eine genaue Einschätzung darüber geben, was die Person gerade in der Hand hält.
Sight AI erkennt zudem Farben, Personen und Gegenstände in der Umgebung und hilft sehbehinderten Menschen dabei, diese präzise zu finden. So erleichtert die App den Alltag, indem sie eine eigenständige Orientierung ermöglicht. Besonders im schulischen Kontext hat das Gerät auch Schüler*innen mit Sehbehinderung dabei unterstützt, ihre Aufgaben und Lerninhalte besser zu bewältigen.
Das Tool bietet sehbehinderten Menschen auch visuelle Unterstützung über eine Kamera und ist auf Android-Geräten, iPads und iPhones verfügbar. Die App ist in vielen Sprachen erhältlich und hilft Nutzer*innen dabei, persönliche Informationen zu lesen und zu verstehen.
Eine weitere Anwendung ist die Envision App, die ebenfalls auf Künstlicher Intelligenz basiert und blinden Menschen ein selbstbestimmteres Leben ermöglicht. Sie unterstützt blinde und sehbehinderte Menschen dabei, ihren Alltag eigenständig zu gestalten.
Die App ist in über 60 Sprachen verfügbar und besonders effektiv beim Vorlesen von Texten, dem Erkennen von Personen (inklusive Geschlecht), Farben, Objekten, Orten und vielem mehr – und hilft so blinden Menschen, sich sicher in ihrer Umgebung zu bewegen. Envision wandelt visuelle Informationen über eine Kamera automatisch in Sprache um: Beim Erfassen eines Gegenstandes wird dessen Bild erkannt und die Information direkt vorgelesen.
Auch MI4People hat gemeinsam mit dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB) das Projekt CoVision entwickelt. Ziel ist es, eine intelligente und inklusive Lösung bereitzustellen, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz blinden und sehbehinderten Menschen dabei hilft, Selbsttestergebnisse eigenständig und sicher auszuwerten.
Die Idee dahinter: Technologie inklusiv gestalten, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern – und Selbsttests für alle zugänglich zu machen, insbesondere für Menschen mit Sehbeeinträchtigung.
Herausforderungen
Künstliche Intelligenz hat das Leben von Menschen mit Behinderungen in vielerlei Hinsicht erleichtert und ihnen geholfen, alltägliche Aufgaben selbstständiger zu bewältigen. Trotz dieser greifbaren Vorteile ist KI jedoch kein vollwertiger Ersatz für menschliche Fähigkeiten – sie ist ein Werkzeug, das Menschen mit Behinderung bei bestimmten Aufgaben unterstützen kann, aber nicht die persönliche Betreuung ersetzt.
Da die Bedürfnisse von Person zu Person unterschiedlich sind, stößt Künstliche Intelligenz an Grenzen, wenn es darum geht, individuelle Anforderungen wirklich zu verstehen und darauf einzugehen.
Ein weiterer kritischer Punkt betrifft den Umgang mit Daten: Informationen, die von Menschen mit Behinderungen gesammelt werden, könnten missbräuchlich verwendet werden – was das Vertrauen in solche Technologien gefährden würde.
Ausblick
Zweifellos hat Künstliche Intelligenz einen bedeutenden Beitrag zur Unterstützung einer besonders verletzlichen Bevölkerungsgruppe geleistet – insbesondere für sehbehinderte Menschen.
KI hat das Potenzial, technologische Barrieren abzubauen und eine digitale Gesellschaft zu schaffen, in der sich alle zugehörig fühlen – und in der Menschen mit Sehbeeinträchtigung Zugang zu Hilfsmitteln haben, die ihren Alltag spürbar erleichtern.
Mit herzlichen Grüßen,
MI4People Team
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